Autorinnen und Autoren
Unsere Autorinnen und Autoren
Anthony Phelps
Anthony Phelps, Lyriker, Prosaautor, Journalist, Vortragskünstler und Bildhauer, geboren 1928 in Port-au-Prince, kann als lebender Klassiker Haitis gelten. Nach einem Chemiestudium in den USA gehörte er 1960 zu den Gründern der Gruppe Haïti Littéraire und der Zeitschrift Semences, die der haitinaischen Literatur bedeutende Impulse verleihen sollten. Als Gegner Duvaliers musste er 1964 nach zweiwöchiger Haft ins Exil nach Montreal gehen, wo er noch heute lebt. Bis zu seiner Pensionierung war er dort als Nachrichtenredakteur bei Radio Canada tätig. Er gilt auch als einer der wichtigsten Gegenwartsautoren Québecs. Sein literarisches Werk umfasst etwa dreißig Bücher, darunter das Kultbuch Mon Pays que voici (1968), eine lyrische Hymne an sein Heimatland, und die Romane Moins l’infini (Paris, Les Éditeurs Français Réunis, 1973, überarbeitet unter dem Titel Des fleurs pour les héros, Paris, Le temps des cerises, 2013, deutsch Denn wiederkehren wird Unendlichkeit, Berlin, Aufbau-Verlag, 1976) und Mémoire en Colin Maillard (Montreal, Editions Nouvelle Optique, 1976). Der Zwang des Unvollendeten erschien 2006 im Verlag Leméac, Montreal unter dem Titel La contrainte de l’inachevé. Wer hat Guy und Jacques Colin verraten wurde unter dem Titel Mémoire en Colin Maillard bereits 1973 von Nouvelle Optique, Montreal veröffentlicht und 2015 in einer überarbeiteten Fassung von Le temps des Cerises, Montreuil neu aufgelegt. Anthony Phelps erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter zweimal den Preis der Casa de las Americas. Im Frühjahr 2014 hielt er sich im Rahmen des Projekts Kreyol, die Kultur des Widerstandes in der Karibik in der Künstlervilla Waldberta bei München auf. 2015 und 2016 unternahm er erfolgreiche Lesereisen durch Deutschland.
Interview von Anthony Phelps in der Sendung „Kulturzeit“ aus dem Mai 2015. Anmerkung dazu: Die Aussage, Anthony Phelps habe in einem Foltergefängnis gesessen, beruht auf einem Missverständnis. Anthony Phelps hatte seiner Schilderung der Zustände im Fort Dimanche vorausgeschickt, dass er zu seinem Glück „nur“ zwei Wochen im Polizeirevier inhaftiert war und nicht gefoltert wurde.
Georges Anglade
Georges Anglade, geboren 1944, aufgewachsen in der haitianischen Provinz, war als Geograph Autor mehrer Standardwerke über Haiti und führendes Mitglied der Demokratiebewegung seines Landes, deren Manifest er verfasste.Ein scharfzüngiger aber nie zynischer politischer Satiriker, der den meisten seiner Kollegen zwei Erfahrungen voraus hat: das Gefängnis (unter Duvalier) und ein Ministeramt (unter Aristide). Den haitianischen Lesern war er auch als Kolumnist der Zeitung Le Nouvelliste bekannt. Als Literat pflegte er das Genre der lodyans, das er als typisch haitianische Literaturgattung wiederentdeckt und wiederbelebt hat. Georges Anglade starb zusammen mit seiner Frau Mireille, einer bekannten Wirtschaftswissenschaftlerin, am 12. Januar 2010 bei dem Erdbeben in Haiti.
Interview mit Georges Anglade (in französischer Sprache)
Lodyans Deux mendiants au paradis und Cuba est revenue, gelesen von Georges Anglade
Maryse Condé
Maryse Condé, eine der wichtigsten Autorinnen der Frankophonie, wurde am 11. Februar 1937 in Pointe-à-Pitre auf Guadeloupe geboren. Sie studierte Vergleichende Literaturwissenschaften an der Sorbonne und promovierte über Stereotypen von Schwarzen in der karibischen Literatur. Anschließend lebte sie in Afrika, unter anderem in Mali, wo sie zu ihrem Bestseller Segu angeregt wurde. 1993 erhielt sie als erste Frau für ihr Gesamtwerk den Puterbaugh-Preis. Sie lebt abwechselnd auf Guadeloupe und in New York, wo sie an der Columbia University lehrt. 2018 wurde ihr für ihr Gesamtwerk der alternative Nobelpreis verliehen. Maryse Condé starb am 2. April 2024 in Apt, Vaucluse (Südfrankreich).
Louis-Philippe Dalembert
Louis-Philippe Dalembert, Lyriker, Romanautor, Literaturwissenschaftler und Journalist, wurde 1962 in Port-au-Prince geboren, hat die ersten 25 Jahre seines Lebens in Haiti verbracht, und durchstreift seither nach eigener Aussage als Vagabund die Welt. (Nord- und Südamerika, Karibik, Afrika, Europa, den Nahen und Mittleren Osten). Er lebt heute zwischen Paris, Rom und Port-au-Prince. Seine Bücher, die bereits in mehrere Sprachen übersetzt wurden, liegen nun endlich auch auf Deutsch vor.
Kettly Mars
Kettly Mars, geboren am 3. September 1958 in Port-au-Prince, Haiti erhielt eine klassische Bildung und arbeitete als Verwaltungsangestellte. Ab den 90er Jahren wurde sie in Haiti als Lyrikerin bekannt. Als Prosaautorin machte sie sich durch die Romane Kasalé (2003) und L’heure hybride (2005) einen Namen. Das Zweideutig-Unbestimmte, das in diesem Titel zum Ausdruck kommt, kennzeichnet auch ihren 2008 erschienenen Roman Fado.
In Deutschland wurde sie durch ihren Artikel über das Erdbeben in Haiti bekannt (»Ich habe überlebt«, DIE ZEIT vom 21.1.2010).
Emmelie Prophète
Emmelie Prophète, geboren am 15. Juni 1971, studierte Jura und Literaturwissenschaften in ihrer Geburtsstadt Port-au-Prince. Sie leitete acht Jahre lang eine Jazzsendung bei Radio-Haïti, war im Lehramt sowie als haitianischer Kulturattaché in Genf tätig und schrieb für verschiedene Zeitschriften.
Als Schriftstellerin machte sie zunächst durch die Lyrikbände Des marges à remplir (2000) und Sur parure d’ombre (2004) auf sich aufmerksam.
Das Testament der Einsamen ist ihr erster Roman.
Lyonel Trouillot
Lyonel Trouillot wurde 1965 in Port-au-Prince geboren, wo er noch heute lebt. Nach einem Jurastudium wandte er sich ganz seiner eigentlichen Leidenschaft, der Literatur, zu. Er schreibt Lyrik und Prosa in kreolischer und französischer Sprache. Seine Romane, etwa Thérèse en mille morceaux (Arles, Editions Actes-Sud 2000), Les enfants des héros (Actes-Sud 2002), L’amour avant que j’oublie (Actes-Sud 2007), Yanvalou pour Charlie (Actes-Sud 2009) sowie La Belle Amour humaine (Actes-Sud 2011) machten ihn international bekannt und wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Als Mitglied und Sprecher des Collectif Non, einer Initiative von haitianischen Intellektuellen, gehörte er zu den wichtigsten Opponenten gegen das Regime von Jean-Bertrand Aristide.
Lyonel Trouillot lehrt französische und kreolische Literatur an der Universität Port-au-Prince.
Gary Victor
Gary Victor, geboren 1958 in Port-au-Prince, Haiti, ursprünglich Agronom, gehört zu den meistgelesenen Schriftstellern seines Landes. Viele seiner Gestalten sind zu feststehenden Typen geworden. Außer Romanen, Erzählungen und Theaterstücken, für die er mit mehreren Preisen, darunter dem Prix du livre RFO und dem Prix littéraire des Caraïbes ausgezeichnet wurde, schreibt er auch Beiträge für Rundfunk und Fernsehen, die in Haiti regelmäßig für Aufregung sorgen. Sein schonungsloser Blick auf die Gesellschaft stellt ihn in die Tradition der Sozialromane des 19. Jahrhunderts und macht ihn zum subversivsten Gegenwartsautor Haitis.
Abdourahman A. Waberi
Abdourahman A. Waberi, geboren 1965 in Dschibuti, lebt seit 1985 in Caen, Frankreich als Englischlehrer, Literaturkritiker und Autor. Im frankophonen Raum bereits durch seine preisgekrönte Dschibuti-Trilogie aus Le pays sans ombre, Cahier nomade und Balbala sowie den Roman Transit bekannt geworden, machte er in Deutschland durch den satirischen Roman In den Vereinigten Staaten von Afrika (Nautilus-Editionen) auf sich aufmerksam. 2006/2007 hielt er sich im Rahmen des Künstlerprogramms des DAAD in Berlin auf. Schädelernte stellt einen der herausragendsten Beiträge zum Versuch, sich dem Genozid in Ruanda schreibend zu nähern, dar.
Yanick Lahens
Yanick Lahens, geboren 1953 in Port-au-Prince, gehört zu den wichtigsten Gegenwartsautorinnen Haitis. Angeregt durch ihre Großmutter interessierte sie sich früh für die traditionelle Kultur das Landes. Sie studierte Literaturwissenschaften an der Sorbonne. Zurück in Haiti lehrte sie an der Ecole normale supérieure und setzte sich für die kreolische Sprache im Bildungswesen ein. Sie ist Mitbegründerin der Zeitschrift Chemins critiques. Zu ihren bekanntesten Werken gehören Tanz der Ahnen (Zürich, Rotpunkt, 2011, Original Dans la maison du père, 2000), Morgenröte (Zürich, Rotpunkt, 2012, Original La couleur de l’aube, 2008) sowie Bain de lune (2014). Für letzteres Werk erhielt sie den Prix Fémina. 2018-2019 war sie Inhaberin des Lehrstuhls Mondes francophones am Collège de France. Litradukt veröffentlichte 2021 Sanfte Debakel (Douces déroutes, 2018). 2023 wird Mondbad (Bain de lune) in einer Übersetzung von Jutta Himmelreich erscheinen.