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Kettly Mars

Der Engel des Patriarchen

Beim Schreiben dieses Romans habe ich selber Angst bekommen Kettly Mars im Interview mit Le Point

Inhalt

Emmanuela, Mitte Vierzig, verwitwet, ist eine moderne, selbstbewusste Frau, die als Leiterin einer Bankfiliale in Port-au-Prince mitten im Leben steht und mit den Erzählungen ihrer Cousine Paula, genannt Couz, nichts anfangen kann: Sie hält die Geschichten von Engeln, Dämonen und einem Fluch, der auf der Familie lasten soll, für Spintisierereien. Dennoch muss sie zugeben, dass um sie herum Seltsames vor sich geht: Irgendetwas ist “anwesend”, dringt in ihr Leben und das ihres Sohnes ein, beginnt ein zerstörerisches Werk. Sollte Couz Recht haben und der “Engel des Patriarchen” neue Opfer fordern?

Kettly Mars’ neuer Roman zieht den Leser in einen Strudel aus Emotionen und überraschenden Wendungen. Die düstere Faszination hält bis zur letzten Seite an.

 

Autorenportrait

Kettly Mars, geboren 1958 in Port-au-Prince, gehört zu den wichtigsten Gegenwartsautorinnen Haits, wo sie ab den Neunzigerjahren zunächst als Lyrikerin bekannt wurde. Durch Romane wie Die zwielichtige Stunde, Fado und Wilde Zeiten machte sie sich auch international einen Namen. Im deutschsprachigen Raum wurde sie zunächst durch einen Artikel in der ZEIT über das Erdbeben in Haiti bekannt. Mehrere ihrer Bücher konnten sich auf der Litprom-Bestenliste Weltempfänger platzieren. Kettly Mars erhielt unter anderem den Prix Léopold Senghor de la Création littéraire und den niederländischen Prins-Claus-Pries. Sie hat mehrere Lesereisen durch Deutschland, Österreich und die Schweiz unternommen.

Leseprobe

In der stickigen Wärme des kleinen Büros wurde [Jacques] um fünfundsechzig Jahre zurückversetzt, wie er als kleiner Junge in kurzen Hosen barfuß unter der blendenden Sonne durch die Savanne von Truitier lief. Es waren Sommerferien, sein Bruder, seine beiden Schwestern und er verbrachten sie im Haus ihres Großvaters auf den Ländereien, die sich über Hunderte carreaux de terre mit Reis- und Zuckerrohrfeldern erstreckten. […] Jacquot war allein und erforschte die Ruinen der stillgelegten Zuckerfabrik seines Großvaters, die etwa vierhundert Meter vom Wohnhaus entfernt im hitzeflimmernden Gestrüpp lag. Ein paar Sekunden lang vergaß Jacques den Schmerz in seiner Brust. Er vergaß diesen verdammten Rauch, der ihn erstickte. Andere Düfte, die schwarze sandige Erde von Truitier, vermischt mit Kuhfladen und dem Zitronenund Uringeruch riesiger blühender tcha-tcha-Sträucher stiegen ihm in die Nase. Die Männer waren bereits am Ort, als er, versunken in die Betrachtung des verrosteten Getriebes einer Zuckerrohrmühle, ihre Anwesenheit wahrnahm. Reflexartig hatte er sich hinter dem rostigen Wrack eines Zuckerkessels versteckt. Es war den Kindern verboten, sich vom Haupthaus zu entfernen, sie durften sich nie außer Sicht der Sippe befinden, die im großen Hof um das Haus des Patriarchen angesiedelt war. Die Gruppe bestand aus seinem Großvater Horacius Melfort, Notar Victorin Orlando, Doktor Nathaniel Séphasse und zwei weiteren Erwachsenen, die er nicht kannte. Sie trugen Straßenanzüge, flache Strohhüte und, wie üblich bei den Alten, Schuhe in zwei Farben. Sie redeten lebhaft und schienen eine wichtige Frage zu erörtern.

Jacques konnte weder alles hören, noch alles verstehen, aber Fetzen der Unterhaltung erreichten ihn deutlich. Er hörte vom Marquis von Truitier reden. Er fragte sich, wer das sein könnte. Man wollte dem Marquis, der ungeduldig wurde, ein Lamm opfern. »Wann?«, fragte Notar Orlando. »Spätestens morgen!«, antwortete energisch der eine der Fremden mit den dicken zerzausten Brauen und dem stechenden Blick. »Es eilt. Wir haben schon zu lange gezaudert!« »Pst! Leiser! Man kann uns hören!«, sagte der andere Fremde, der kränklich wirkte und seine vorstehenden Augen nach rechts und links verdrehte. Jacques machte sich hinter dem Zuckerkessel noch kleiner. Das Kind hörte Worte wie Bankrott … Feinde … Wahlen. Es konnte die fiebernde Eile spüren, die die Männer in einer mit Händen zu greifenden Anspannung hielt. Und plötzlich, es riss die Augen auf, hörte es seinen Namen. Doktor Séphasse bat seinen Großvater, das Lamm zu bezeichnen. Es entstand eine lange Stille. Drei Fliegen schwirrten um den Hut von Notar Orlando, die er mit einer ärgerlichen Handbewegung verjagte. Darauf ließ der alte, gebeugte Mann mit seiner krächzenden Stimme hören: »Jacquot!« »Sehr gut!«, stimmte der Mann mit den zerzausten Augenbrauen zu, »der Marquis wird zufrieden sein. Aber diesmal, Magistrat, keine Hinhaltemanöver!«, sagte er streng und suchte den Blick von Horacius Melfort, der die Augen senkte.

Jacques wurde am selben Abend krank, litt an schrecklichen Koliken und weigerte sich eine ganze Woche lang, sein Bett zu verlassen. Die Medikamente, die ihm seine Mutter auf Anordnung des guten Doktor Séphasse verabreichte, schienen ihm keinerlei Linderung zu bringen. Er sagte niemandem etwas, und als sein Bammel vorüber und die Ferien zu Ende waren, vergaß er die Geschichte. Immerhin erzählte er viele Jahre später seiner großen Schwester Paula davon, die spirituelle Fähigkeiten besaß. Sie sagte ihm, sie habe von den Älteren eine Version der Geschichte vom Pakt ihres Großvaters gehört. Das war eine immer mit sparsamen Worten geflüsterte Geschichte zwischen Mythos und Realität. Sie sagte, dass ihre Leben davon geprägt seien. Der Marquis von Truitier sei in Wirklichkeit das Pseudonym, mit dem diese Männer aus Diskretion den Engel Yvo belegten. Fünfundsechzig Jahre später waren seine Abgesandten zur Stelle, hier in dem kleinen Büro, im immer dichter werdenden Rauch. In dieser letzten Minute seines allerletzten Geburtstags weiß Jacques, die Augen angefüllt von Entsetzen, dass die Geschichte noch lange nicht zu Ende ist.

Pressestimmen

DLF, Cornelius Wüllenkemper

Die feinen Schnüre, auf denen Kettly Mars ihre Figuren zwischen sozialer Realität und magischer Spiritualität tanzen lässt, laufen unaufhaltsam zu einem finalen gordischen Knoten zusammen. In ihrem magischen Thriller über die haitianische Wirklichkeit erzählt sie von der ebenso widersprüchlichen wie faszinierend schillernden Seele ihrer Heimat.

 

Auszug aus DLF Büchermarkt, Cornelius Wüllenkemper, 25. Oktober 2019

Tiroler Tageszeitung, Joachim Leitner

Kettly Mars’ “Der Engel des Patriarchen” ist oberflächlich betrachtet eine Schauerstory, ein Reißer. Und auf den zweiten Blick eine politische Parabel (…). Eine Familie wird verfolgt. Ein dunkler Engel geht um. Das kann man symbolisch lesen (…) oder schlicht als schleichenden Schocker. Kurzum: was für eine Entdeckung!

 

Auszug aus Tiroler Tageszeitung, Joachim Leitner, 3. Dezember

Saarländischer Rundfunk, Manfred Loimeier

Die Handlung von Kettly Mars’ Roman “Der Engel des Patriarchen” entwickelt eine Dramatik, die es fast unmöglich macht, das Buch nach etwa der Hälfte überhaupt noch aus der Hand zu legen. Ob Voodoo, Zombies oder auch das rettende Licht des Erzengels Michael, die vielgestaltige Welt des haitianischen Jenseitsglaubens bevölkert diesen Roman und lässt die Leser vor Bangen um Emmanuela und ihre Angehörigen gruseln und schauern. Das ist ganz hervorragend komponiert und verzahnt, auch was die Nebenschauplätze der Familie in Frankreich und den USA angeht.

Auszug aus Saarländischer Rundfunk, Der Nachmittag, Manfred Loimeier, 3. Dezember 2019

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