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Anthony Phelps

Andalusische Radierungen. Ausgewählte Gedichte/Eaux-fortes andalouses. Poèmes choisis

Inhalt

Anthony Phelps besingt in einer Sprache voller tropischer Sinnlichkeit und Erotik das ewig Weibliche, die Natur, aber auch die Vielfalt der verschiedenen Amerikas und der Karibik. Leitmotive sind das Exil, die Getriebenheit, Haiti, das Land, das er als politischer Exilant verlassen musste, und Kanada, das Land, in dem er Aufnahme gefunden hat. Dank der kongenialen Übersetzung von Rike Bolte bietet Litradukt mit dieser zweisprachigen Auswahl dem deutschsprachigen Publikum erstmals einen Überblick über das Werk eines der bedeutendsten haitianischen und kanadischen Gegenwartslyriker, angefangen bei Mon pays que voici (1968), dem oft mit Pablo Nerudas Großem Gesang oder Aimé Césaires Rückkehr ins Land der Geburt verglichenen poetischen Streifzug durch die Geschichte Haitis, der Phelps’ literarischen Ruhm begründete. Die Gedichte sind der von Phelps selbst zusammengestellten Anthologie Nomade je fus de très vieille mémoire (Editions Bruno Doucey) entnommen. Peter Klaus, einer der besten Kenner von Anthony Phelps’ Werk, hat das Vorwort zu dieser Ausgabe beigesteuert.

Autorenportrait

Anthony Phelps, geboren 1928 in Port-au-Prince, Dichter, Prosaautor, Vortragskünstler und bildender Künstler, ist ein lebender Klassiker der haitianischen und kanadischen Literatur. Er war Mitbegründer der Gruppe Haïti Littéraire, die der haitianischen Literatur wichtige Impulse verlieh. Als Gegner Duvaliers musste er 1964 ins Exil nach Montreal gehen, wo er noch heute lebt. Bei Litradukt erschienen bereits die Romane Der Zwang des Unvollendeten (2015) und Wer hat Guy und Jacques Colin verraten? (2016) sowie die Sammlung von Erzählungen Die verzauberte Schaufensterpuppe (2018). Anthony Phelps hat mehrere Lesereisen in Deutschland unternommen und zahlreiche Preise erhalten, darunter zweimal den Preis der Casa de la Americas in Havanna.

Leseprobe

WEIL TRÜBES WETTER HERRSCHT

Wir werden weder Himmel-und-Hölle spielen
noch unsere Steinchen über den Erdhimmel hinauswerfen
Wir werden auf den Perlhirsefeldern
nicht nach Glücksklee suchen
Wir werden all das nicht tun weil trübes Wetter herrscht

 

Wir werden heute Abend
weder zum Mondangeln auf dem Quai Christoph-Colomb gehen
noch unsere Reusen
im Bett der Milchstraße auslegen
um Doppelsterne in die Falle zu locken
Wir werden all das nicht tun weil trübes Wetter herrscht

 

Wir werden uns nicht ins Bett der Liebe legen
Wir werden es nicht tun weil trübes Wetter herrscht

 

Es ist kein Spiele-Wetter mehr
der Marionettengesang ist überwunden
Es ist kein Wetter zum Schlafen
wir haben das Schlaf-Kindlein-schlaf-Lied ausgesungen
Und das Kind wird nicht schlafen
weil Nachtwachezeit herrscht
Meinem Land sitzt ein Blutgerinnsel in der Gurgel

 

(Originalfassung unter “Weiterlesen”)

 

 

IL FAIT UN TEMPS DE DEMOISELLE

Nous n’irons pas jouer à la marelle
et lancer nos pions par-dessus le ciel de terre
Nous n’irons pas cueillir
dans les champs de p’tit mil
le trèfle à quatre feuilles
Nous n’irons pas il fait un temps de demoiselle

 

Nous n’irons pas ce soir
pêcher la lune au quai Christophe-Colomb
Nous n’irons pas poser nos nasses
dans le lit de la Voie lactée
pour piéger des étoiles doubles
Nous n’irons pas il fait un temps de demoiselle

 

Nous n’irons pas dormir dans le lit de l’Amour
Nous n’irons pas il fait un temps de demoiselle

 

Le temps n’est plus au jeu
nous avons dépassé le chant des marionnettes
Le temps n’est plus au sommeil
nous avons dépassé le chant de l’enfant do
Et l’enfant ne dormira pas
il fait un temps de veille
Mon Pays a un caillot de sang dans la gorge

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