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Yanick Lahens

Mondbad

Inhalt

Nach einem dreitägigen Orkan wird Cétoute Florival ertrunken an einem Strand gefunden. Der innere Monolog von Cétoute, die auf ihren „zweiten Tod“, die Reise ins Jenseits, wartet, wechselt mit der Erzählerstimme, die vom über hundertjährigen schicksalhaften Neben-, Mit- und Gegeneinander der Großfamilien Lafleur – Bauern, Fischer und Diener der Voodoogeister – und Mésidor – Großgrundbesitzern – berichtet. In einer Saga, die sich vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart erstreckt, entsteht ein einzigartiges Porträt des ländlichen Haiti mit seinen traditionellen Glaubensvorstellungen und Bräuchen. Dabei werden immer wieder die Trennlinien zwischen denen, die stets „Jäger“ und denen, die „Beute“ sind, sichtbar.

In nüchterner und zugleich poetischer Sprache schafft Yanick Lahens ein Sittengemälde der bäuerlichen Welt Haitis, deren Faszination man sich nicht entziehen kann.

Ausgezeichnet mit dem Prix Femina, einem der wichtigsten französischen Literaturpreise.

Autorenportrait

Yanick Lahens, geboren 1953 in Port-au-Prince, studierte Literaturwissenschaften an der Sorbonne. Zurück in Haiti lehrte sie an der Ecole normale supérieure und setzt sich für die kreolische Sprache im Erziehungswesen ein. Sie ist Mitbegründerin der Zeitschrift Chemins critiques. Zu ihren bekanntesten literarischen Werken zählen Tanz der Ahnen (Zürich, Rotpunkt, 2004, Original Dans la maison du père, 2000), Morgenröte (Zürich, Rotpunkt, 2012, Original La couleur de l’aube, 2008) sowie Sanfte Debakel (Litradukt, 2021, Original Douces déroutes, 2018). Sanfte Debakel kam auf Platz 1 der Litprom-Bestenliste Weltempfänger Sommer 2021.

Leseprobe

 

Die Mésidors, ganz im Osten, jenseits der Berge über Anse Bleue, gierten seit jeher nach Land, nach Frauen und nach Besitz. Ihr Geschickt hatte sich vierzig Jahre vorher mit dem der Lafleurs und deren Nachkommen, den Clémestals und Dorivals, gekreuzt. An einem Tag im Jahr 1920, als Anastase Mésidor, Vater von Tertulien Mésidor, Bonal Lafleur, Großvater von Olmène Dorival, um die letzten Hektar seiner Ländereien erleichterte. […]

Anastase Mésidor hatte zwei Brüdern aus Roseaux, Pauléus und Clévil, die sich erdreistet hatten, ihm die Stirn zu bieten, ein schlimmes Schicksal bereitet. Im frühen Morgennebel waren sie, unterwegs zu ihrem Stück Land, verschwunden. Den einen fand man am Hügel Morne Peletier, den anderen, von Schweinen halb aufgefressen, an der Straße von Ti Pistache nach Roseaux. Wir Lafleurs galten als unerreichbar und mit mächtigen, gar gefährlichen points* ausgestattet. Im Umkreis von Kilometern beneideten viele uns um diese Macht, die ihnen beispiellos erschien. Grenzenlos. Dieser solide Ruf half indes nichts gegen Anastase Mésidors hartnäckiges Angebot: Bonal Lafleur wurde eines Morgens dazu gedrängt, sich zähneknirschend von seinen Ländereien zu trennen, in Gegenwart eines Landvermessers mit schwarzem Filzhut und eines Notars in einem dunkelgrauen, zu eng sitzenden Dreiteiler.

Nach einer Verlesung, beginnend mit den Worten „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Republik Haiti“ und endend mit „hier kollationiert“ machten Anastase Mésidor, der Notar und der Landvermesser Bonal klar, dass er fortan nicht mehr Landbesitzer war.

* Magische Kräfte.

Bonal Lafleur hatte kaum den Abdruck seines tintengeschwärzten Daumens aufs Papier gebracht, da forderte er von Anastase Mésidor, was ihm zustand. […] Zu Bonals großer Überraschung zahlte Anastase Mésidor mit einem breiten Lächeln auf den Lippen bar. Ein Almosen, das Bonal sich mit einer ganzen Schar anderer Anwärter würde teilen müssen, deren Berechtigung nicht zweifelsfrei feststand. Beim Anblick seines tintenfleckigen Daumens erinnerte Bonal sich an die Streitereien mit der langen Reihe von Geschwistern, Cousins, Cousinen, kindern aus erster, zweiter, dritter Ehe und allen anderen. Nicht zu vergessen all jene, die aus dem Umland auftauchen würden, sobald sie von dem Verkauf erfuhren. […]

Ein leichter Schwindel überkam ihn. Und da war vor allem die Erinnerung an Anastase Mésidors Lächeln. Unaufrichtig. […] Ein Lächeln, das nichts Gutes verhieß. Er empfahl sich für einen Augenblick dem Großmeister ganz oben und seufzte mit trockener Kehle. Doch Gott, der Großmeister, war viel zu fern, um seinen Durst stillen zu können, weshalb Bonal erneut nach seinen Geldscheinen tastete und sich für ein paar Schlucke guten Clairins* entschied. […] Schmächtig, die Beinmuskeln ausgeprägt, schritt er, das Kinn leicht nach vorn geschoben, entschlossen Richtung Baudelet.

* Klarer Zuckerrohrschnaps

 

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